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Eingeschläfert - gute Reise mein Engel

Liebes Herrchen, liebes Frauchen,
gestern habe ich eine sehr schmerzhafte Erfahrung machen müssen. Meine geliebte Sally wurde mit 15 Jahren eingeschläfert. Sie hat mich fast mein halbes Leben lang begleitet, war da, wenn sonst keiner da war und ist mit mir erwachsen geworden. Vielleicht kann ich hiermit anderen helfen, die in ähnlicher Situation sind. Vielleicht hilft es auch einfach nur mir das aufzuschreiben. Ich weiß es nicht, der Kopf läuft Amok.
Bisher konnte ich mich von keinem meiner Hunde verabschieden. Bingo musste unter Betäubung geröntgt werden und die Ärzte stellten einen riesigen Tumor fest. Wir folgten ihrer Empfehlung ihn nicht wieder aufwachen zu lassen. Ben litt schon sehr früh an Herzproblemen und musste eingeschläfert werden, als ich mich am anderen Ende der Welt befand. Aus Angst habe ich schon lange überlegt, ob ich Sally auf ihrem letzten Weg begleiten möchte bzw. ob ich das schaffe. Erst ein Artikel, den ein Bekannter auf facebook geteilt hatte, half mir bei der Entscheidung. Es ging darum wie sehr Hundebesitzer den Tieren ihren Abschied erschweren, wenn sie sie alleine in einer sterilen Praxis mit Fremden lassen. Das hatte Sally nicht verdient.
Aufgrund unserer bisherigen Hunde haben wir schon Sallys 12. Geburtstag groß gefeiert, weil wir davon ausgehen mussten, dass es ihr letzter sein würde. Wann beginnt ein Hund zu leiden? Wann ist ein Hundeleben nicht mehr lebenswert? Sally litt schon seit Jahren unter Arthrose, konnte auf glatten Böden nicht mehr alleine aufstehen und musste hochgehoben werden, hatte oft Durchfall, musste mehrfach nachts raus, aber sie fraß meistens gut, war aufmerksam, verfolgte ihr Umfeld noch sehr genau. Ich hätte sie gerne früher erlöst, aber hätte man das verantworten können? Der Verstand sagt ja, alles andere schreit laut nein.
Seit Monaten dachten wir immer wieder es sei vorbei, immer wieder litt ich tagelang, weinte viel. Nach einem letzten Gespräch mit der Tierärztin war nun also der Tag festgelegt. Nachdem man sich 3 Jahre verabschiedet hatte, wurde es nun unfassbar traurige Realität. Ich weinte schon Stunden vorher, legte mich zu Sally auf den Boden, nervte sie sogar so sehr, dass sie sich aus dem Staub machte. Ich ließ sie ziehen. Ich wollte jede verbleibende Sekunde mit ihr verbringen, sie kraulen, sie riechen. Aber ist das der richtige Zeitpunkt für meinen Egoismus, oder sollte ich nicht eher versuchen ihr den Eindruck zu vermitteln, dass alles okay ist? Wir hatten eine Salbe bekommen, die wir Sally vorher ins Maul streichen sollten, um sie zu beruhigen. Es verzögerte sich endlos lange, bis sich die Ärztin telefonisch meldete und den Startschuss gab. Ich hatte schon mehrfach in der Praxis angerufen, die geschlossen hatte. Auf dem Anrufbeantworter konnte man keine Nachricht hinterlassen, ihr Handy war aus. Dann war der Anschluss plötzlich besetzt und meine Trauer schlug in Wut um. Wieso konnte sie in der Weltgeschichte herumtelefonieren und uns nicht einmal kurz sagen, dass sie noch Zeit brauchte. Ich wurde ruhiger, hörte endlich auf zu weinen, saß bei Sally auf dem Boden und sie jammerte im Schlaf.
Doch dann klingelte das Telefon. Die Ärztin würde in 20 Minuten kommen, ich drehte durch. Wir versuchten Sally die Salbe ins Maul zu spritzen, sie weigerte sich, schnappte sogar. Wir halfen ihr beim Aufstehen und sie stolperte in den Garten und machte ihr letztes kleines Geschäft. Kurz danach fiel sie um und schlief fest ein. Ich saß an ihrem Köpfchen und streichelte ihn, meine Mutter an ihrem Bauch. Ich habe keine Ahnung was Sally noch wahrnehmen konnte, aber ich erzählte ihr vom Hundehimmel, dass da täglich ein Sternekoch frisches Fleisch serviere, sie sich wieder fühlen würde wie mit 4 Jahren und mit Ben über die Felder springen könne. Ein Stück ihrer Zunge rutschte heraus und sie begann laut zu schnarchen. Wir konnten uns in all der Trauer ein kleines Lachen nicht verkneifen. Ich erzählte ihr, dass sie zwar wunderschön sei, aber mit diesen Geräuschen sicher nicht Hundehimmels next Topmodel werden könne, sondern eher ein Truckerbabe. Wieder verging eine gefühlte Ewigkeit. Als die Ärztin mit einer Plastikkiste in den Garten kam, fühlte ich riesen Erleichterung und pure Verzweiflung in einem. Es ging recht schnell, sie rasierte ein kleines Stück am Bein und ich sagte Sally sie würde hübsch gemacht für ihre letzte Reise. Sie bekam Spritzen und atmete langsamer und langsamer. Das Schnarchen wurde ruhiger und setzte schließlich aus. Die Ärztin konnte keinen Herzschlag mehr fühlen. Die Reflexe, die Sally noch zeigte, gaben mir den Rest. Wieso zuckte sie denn noch? Können wir sie noch zurückholen? Nein, es war vorbei. Wir legten sie auf ihre Decke und in ein Loch im Garten, direkt neben Ben. Ich gab ihr eine Rose und ein Armband mit auf ihre letzte Reise. Am Abend musste ich unbedingt nochmal zu ihr gehen und ich hätte sie am liebsten ausgebuddelt und mit ihr draußen übernachtet. Niemand kann einem diesen Schmerz nehmen und niemand kann ihn nachvollziehen, der noch nie ein geliebtes Haustier verlieren musste, niemand! Mir hilft es mich abzulenken, komplexe Bücher zu lesen, TV zu schauen. Aber die Tränen kullern immer wieder und mein Bauch tut weh. Ich traue mich nicht aus dem Haus, möchte keine Hunde sehen. mydog.team hat seinen dog verloren und ist kein Team mehr, nur noch ich alleine. Rest in peace mein kleiner Engel <3

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